Arzt sah ihren Mann auf dem Operationstisch, der vor einigen Jahren gestorben war

LEBENSGESCHICHTEN

— Mama, arbeitest du heute wieder nachts? — fragte Katja und sah ihre Mutter besorgt an.

In ihrer Stimme klang Sorge mit, als hoffte sie auf eine andere Antwort.

— Ja, mein Schatz.

Ihr und Jura werdet euch doch gut benehmen, oder? — Marina strich sanft über die Hand ihrer Tochter und versuchte sie zu beruhigen.

— Natürlich, Mama.

Aber du ruhst dich gar nicht aus, — drängte Katja, ohne den Blick von ihr abzuwenden.

— Du brauchst mehr Zeit für dich.

— Mach dir keine Sorgen, Kleine.

Die Arbeit muss sein, damit wir alles haben, — antwortete Marina mit einem schwachen Lächeln.

— Willst du nicht die Schönste auf dem Abschlussball sein?

Katja seufzte schwer:

— Ich möchte nur, dass du öfter zu Hause bist.

— Das wird bald so sein, Katjuscha.

Nur noch ein Jahr, dann sind wir endlich den verdammten Kredit los, — sagte Marina und schloss müde die Augen.

Ihre Gedanken wanderten in die Vergangenheit.

Früher schien ihr Leben stabil: eine feste Familie, ein liebender Ehemann, zwei Kinder.

Aber alles änderte sich, als ihr Mann ein eigenes Geschäft eröffnen wollte.

Marina kümmerte sich nicht um die Details, sie unterstützte ihn, so gut sie konnte.

Doch der Kredit musste auf sie aufgenommen werden.

Und das war nicht alles… Bald gestand ihr Mann, dass er eine andere liebte, versprach aber, bei den Rückzahlungen zu helfen, damit sie sich keine Sorgen machte.

Marina hatte sich von diesem Schlag noch nicht erholt, als das nächste Unglück geschah — er starb bei einem Autounfall.

Sie blieb allein mit zwei Kindern und einer riesigen Schuld.

Am Grab stehend fragte sie sich, wie sie weitermachen sollte.

Die Kinder brauchten Aufmerksamkeit, die Arbeit raubte ihr alle Kräfte, und das Geld reichte kaum zum Nötigsten.

Es gab Momente, da dachte sie an das Schlimmste — die Schuld schien unüberwindbar.

Alles, was ihr blieb, war ein Teil der Wohnung.

Fünf Jahre waren vergangen.

Marina hatte viel durchgemacht, doch nun, da nur noch ein Jahr bis zur vollständigen Rückzahlung blieb, durfte sie hoffen.

Ihr gesamtes Einkommen floss in den Kredit — Kindergeld, ein Teil ihres Gehalts.

Sie lebten buchstäblich von dem, was übrig blieb.

Zum Glück half Katja beim kleinen Bruder Jura.

— Also, Katjuscha, ich muss jetzt zur Arbeit.

Mach dir keine Sorgen, kontrolliere Juris Hausaufgaben und achte darauf, dass er vor neun zu Hause ist, — sagte Marina und küsste ihre Tochter auf die Stirn.

— Was würde ich nur ohne dich machen!

Das Krankenhaus, in dem Marina arbeitete, lag weit entfernt — am anderen Ende der Stadt.

Sie musste mit Umsteigen fahren, was über eine Stunde dauerte.

Manchmal dachte sie darüber nach, eine Arbeit näher zu suchen, aber nach so vielen Jahren hatte sie sich an diesen Ort gewöhnt.

— Guten Abend, Marina Nikolaewna, — ertönte eine ruhige Männerstimme.

Es war Sergej Andrejewitsch, ein neuer Arzt, der erst seit drei Monaten im Krankenhaus arbeitete.

Er war pensioniert, konnte aber, wie er sagte, nicht untätig sein.

Marina bemerkte, dass er ihr oft Aufmerksamkeit schenkte, und errötete unwillkürlich wie ein Schulmädchen.

Er war Witwer, sie frei.

Sergej war höflich, taktvoll und nur drei Jahre älter als sie.

Im Krankenhaus gab es bereits Gerüchte, doch es blieb bei Flüstern hinter ihrem Rücken.

— Guten Tag, Sergej Andrejewitsch, — antwortete Marina und versuchte, schnell vorbeizugehen, um neugierige Blicke der Krankenschwestern zu vermeiden.

Im Ärzteraum empfingen ihre Kollegen sie mit Tee.

— Setzen Sie sich, Marina Nikolaewna.

Wie sieht es bei uns aus?

— Noch ruhig, aber wie man sagt, die Ruhe vor dem Sturm, — antwortete sie.

Der Schichtbeginn war tatsächlich ruhig: Nur ein Patient mit Blinddarmentzündung und ein Arbeiter, der eine Wunde am Arm genäht bekam, wurden eingeliefert.

Das Wetter war schön, und Marina setzte sich im Krankenhausgarten auf eine Bank, um kurz auszuruhen.

Sie erschrak, als Sergej Andrejewitsch neben ihr Platz nahm.

— Marina, ich möchte Sie ins Kino einladen.

Mir ist nichts Passenderes eingefallen.

Restaurant ist zu banal, Theater mögen nicht alle.

Außerdem kenne ich Sie noch kaum.

Aber Absagen gibt es nicht! — Er lächelte sie an.

Marina, die höflich ablehnen wollte, lachte plötzlich.

— Lesen Sie etwa meine Gedanken?

Sergej zuckte mit den Schultern.

— Was soll man da lesen? Jedes Mal versuchen Sie zu entkommen, sobald ich auftauche.

— Ist das so auffällig? — wunderte sie sich.

— Sehr sogar.

Wir sind beide erwachsen und frei.

Es bringt nichts zu leugnen, dass da eine gewisse Verbindung zwischen uns ist.

Marina seufzte tief.

— Ich bin solche Gespräche nicht mehr gewohnt.

— Aber das Leben geht weiter, — bemerkte Sergej sanft.

— Na gut, ich gehe mit Ihnen ins Kino.

Aber ich habe kaum Zeit.

— Ich habe bemerkt, dass Sie ständig beschäftigt sind.

Sie arbeiten ohne Pause, — schüttelte Sergej den Kopf.

— Es geht nicht anders.

Mein Mann hat mir keine schönen Erinnerungen hinterlassen, — lächelte Marina bitter.

Sergej nickte verständnisvoll.

— So etwas passiert.

Wenn Sie wollen, erzählen Sie selbst.

Plötzlich wollte Marina sich aussprechen.

Sie schilderte ausführlich ihre Lage, und Sergej hörte ohne Unterbrechung zu.

— Also überlegen Sie es sich zweimal, bevor Sie eine Frau mit so einem „Gepäck“ ins Kino einladen, — schloss sie seufzend.

— Unsinn.

Es gibt immer einen Ausweg, selbst in den schwierigsten Situationen, — antwortete Sergej zuversichtlich.

— Vielleicht haben Sie recht.

Ich denke zu viel an die Vergangenheit.

Ich hatte eine beste Freundin, aber nach der Hochzeit stritten wir uns.

Es stellte sich heraus, dass sie auch in meinen Mann verliebt war.

Manchmal frage ich mich, was wäre, wenn alles anders gelaufen wäre? — sagte Marina nachdenklich.

— Aber es hat keinen Sinn, über das Unumkehrbare zu grübeln.

Habt ihr euch nicht versöhnt?

— Ich weiß nicht, wo sie jetzt ist.

Sie ist direkt nach meiner Hochzeit weggezogen, es sind so viele Jahre vergangen… — antwortete Marina.

Sergej blickte zum Tor.

— Heute ist es irgendwie ruhig.

Normalerweise ist das nicht so, wahrscheinlich kommt bald Arbeit.

Marina stand auf und ging ins Krankenhausgebäude.

Nach ein paar Minuten kam eine Krankenschwester zu ihr.

— Marina Nikolaewna, Sie werden dringend im Operationssaal gebraucht!

Im Operationssaal studierte Marina zunächst die Analyse, ohne den Patienten anzusehen.

— Wie fühlen Sie sich? — fragte sie und hob die Augen.

Auf der Bahre lag ihr Mann Kostja, den sie für tot gehalten hatte.

Er sah sie erschrocken an und wandte sich abrupt ab.

„Das kann nicht sein… — schoss es ihr durch den Kopf.

— Aber er ist doch tot…“

Der Blutdruck des Patienten sank schnell, der Blutverlust war so stark, dass es um Minuten ging.

Marina sammelte ihren Willen und konzentrierte sich, begann mit der Operation.

Jeder Schritt war überlegt, jede Bewegung präzise.

Als alles vorbei war, hatte sie keinen Zweifel mehr: Vor ihr lag tatsächlich Kostja, obwohl in den Dokumenten ein anderer Name stand.

Wie konnte so ein schrecklicher Fehler passieren?

Als sie den Operationssaal verließ, stieß sie auf eine Frau, deren Frage sie überrascht die Augenbrauen hochziehen ließ:

— Wie geht es ihm? Wie fühlt sich mein Mann?

Marina erkannte sie sofort.

Lena.

Die beste Freundin, mit der sie einst unzertrennlich war, bis das Leben sie trennte.

— Lena? — flüsterte Marina überrascht.

— Marina? Ich wusste gar nicht, dass du in diesem Krankenhaus arbeitest…

— Lena wich leicht zurück, als wollte sie ihr nicht in die Augen sehen.

Sie seufzte schwer, als würde sie ihre Gedanken sammeln, bevor sie sprach:

— Du hast ihn operiert?

— Das ist doch Kostja, oder? Ich… ich verstehe nichts…

— Oh, Marina, alles ist so gekommen… Wir wollten das Beste, aber es kam, wie immer.

Wir müssen wohl alles besprechen.

— Ja, ich möchte endlich verstehen, was hier vor sich geht! — Marinas Stimme zitterte, sie rang mit ihren Gefühlen.

In diesem Moment schaute Sergej Andrejewitsch ins Zimmer:

— Ist alles in Ordnung? Habt ihr etwas dagegen, wenn ich bleibe? Ich denke, ihr braucht Unterstützung…

Lena sah ihn an und nickte.

Sie setzten sich in einem kleinen Wächterraum, der ruhig und abgeschieden war.

— Also, erzähl, — forderte Marina und hielt Lena im Blick.

Es stellte sich heraus, dass Lena nach einigen Jahren Abwesenheit zurück in die Stadt gekommen war und zufällig Kostja traf.

Zwischen ihnen entflammten alte Gefühle, und bald schmiedeten sie einen kühnen Plan: Einen großen Kredit aufnehmen und verschwinden, um Schulden und Kindesunterhalt zu entgehen.

— Kostja hatte die nötigen Verbindungen, wir versuchten ein eigenes Geschäft zu eröffnen, — erklärte Lena, — aber es klappte nicht.

Wir zogen in eine andere Stadt, doch die Konkurrenz war zu stark.

Am Ende blieben wir mit Schulden sitzen.

Wir mussten alles verkaufen und in meine Wohnung zurückkehren.

Aber die Gläubiger fanden uns schnell… Der heutige Angriff war ihre Arbeit.

— Und wie wollt ihr aus dieser Situation herauskommen? — in Marinas Stimme lag kaum verhohlene Wut.

— Vielleicht… verkaufst du die Wohnung? Kostja hat einen Anteil daran…

Marina verschlug es fast den Atem.

— Lena, hörst du dich überhaupt? Kostja hat mir den Kredit hinterlassen, den ich jahrelang abbezahle, und ich verzichte auf alles für die Kinder!

Und jetzt schlägst du vor, ich soll ohne Dach über dem Kopf bleiben?

Sergej Andrejewitsch seufzte tief:

— Ich denke, es wäre das Beste, die Polizei einzuschalten.

Ja, er wird sich vor dem Gesetz verantworten müssen, aber er hat die Chance zu leben, und du, Marina, wirst endlich von dieser Last befreit.

Lena sprang auf:

— Marina, lass uns nicht im Stich! Das ist dein Mann, der Vater deiner Kinder!

— Weißt du, Lena, ich habe nicht einmal Mitleid mit dir.

Habt ihr je an mich gedacht, als ihr diesen ganzen Zirkus begonnen habt?

Wer von euch hat an die Kinder gedacht? Ich kann immer noch nicht glauben, dass so etwas möglich ist.

Wir haben mit den Kindern an seinem Grab getrauert, und er… Sergej Andrejewitsch, rufen Sie bitte die Polizei.

Sergej wählte die Nummer und wandte sich dann zu Lena:

— Bleib hier, bis die Polizei kommt.

Lena winkte nur ab und setzte sich.

Marina verließ den Raum.

— Mama, ist etwas passiert? Du siehst so traurig aus… — fragte Katja besorgt, als Marina hereinkam.

Marina seufzte tief und setzte sich neben sie:

— Katja, ich muss dir etwas sagen.

Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll…

Sie erzählte ihrer Tochter alles, was geschehen war.

Katja hörte still zu und sagte dann leise:

— Also hat er gelebt, während wir hier seine Schulden bezahlt haben? Während wir Blumen aufs Grab getragen haben, hat er sich mit einer anderen amüsiert?

Mama, darf ich glauben, dass mein Papa wirklich tot ist?

Marina zuckte mit den Schultern:

— Ich werde dich nicht überzeugen.

Für mich ist er zum zweiten Mal gestorben.

Ein halbes Jahr verging.

— Mama, haben wir etwa ein Fest? — Die Kinder stürmten sofort nach dem Betreten der Wohnung in die Küche.

— Was für ein wunderbarer Duft!

— Zieht euch schnell aus, — hetzte Marina.

Jura atmete den Duft ein und jammerte:

— Ich sterbe schon vor Hunger!

Marina lachte:

— Halt noch ein bisschen durch.

In einer halben Stunde gibt es Essen.

Katja zog die Augenbrauen hoch und ging zu ihrer Mutter:

— Mama, willst du heiraten?

Marina errötete.

— Oh, Katja, was redest du… Aber heute möchte ich euch jemanden vorstellen.

Er heißt Sergej.

Katja, Jura, helft mir, den Tisch zu decken.

Sie drehte sich um, versuchte ihre Aufregung zu verbergen, bemerkte aber die überraschten Gesichter der Kinder.

Doch im nächsten Moment umarmten sie sie.

— Mama, wir freuen uns so für dich! Hauptsache, er ist gut, — flüsterten sie, und Marina konnte die Tränen nicht zurückhalten.

— Er ist gut, glaubt mir, — sagte sie bestimmt.

Plötzlich klingelte es an der Tür, und Jura rannte, um zu öffnen:

— Ich bin’s!

Marina schloss für einen Moment die Augen.

Es gab kein Zurück mehr.

Nach einem Monat feierten sie eine schlichte Hochzeit mit einem Familienessen.

Jura und Sergej fanden schnell zueinander, und der Junge sah zu seinem neuen Vater mit Respekt auf.

Obwohl Sergej bat, die Dinge nicht zu überstürzen — Beziehungen brauchen Zeit.

Kostja wurde behandelt, aber sofort vor Gericht gestellt.

Es stellte sich heraus, dass hinter ihm und Lena eine Spur von Betrug lag.

Marina musste bei der Verhandlung anwesend sein, da ihr Name auch im Fall auftauchte.

Kostja sah erschöpft aus, Lena nicht besser.

Sie beschuldigten sich heftig, und Marina war es widerlich, das zu sehen.

Der Kredit blieb auf ihr lasten.

Das Gericht erkannte ihre Einwände nicht an, da die Schuld formal auf ihren Namen lief.

Aber Sergej half, den Rest zu begleichen.

— Das war’s, Marisch, jetzt beginnen wir ein neues Leben, — umarmte er sie.

— Zwar ist mein Geldbeutel jetzt leer, — fügte er lächelnd hinzu.

Sie lachten.

— Hauptsache, alle sind gesund und munter, und das Geld… das verdienen wir noch, — antwortete Marina fest davon überzeugt, dass jetzt alles gut werden würde.

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