„Du kannst den Winter in der Gemeinschaftswohnung verbringen“, knurrte der Ehemann und jagte seine Frau mit dem Kind in den Schneesturm hinaus.
Die Schneeflocken wirbelten gemächlich im Licht der Laternen, wie tanzende Ballerinas in weißen Gewändern.
Maria Andrejewna, die am Fenster ihrer Wohnung im vierten Stock stand, versank in der Februardunkelheit.
Jedes Mal, wenn die Scheinwerfer vorbeifahrender Autos den Hof erleuchteten, begann ihr Herz schneller zu schlagen.
Sie wusste, dass Andrei bald von seiner nächsten Geschäftsreise zurückkehren würde.
Erinnerungen an das Treffen, das vor zehn Jahren in der Universitätsbibliothek stattfand, überschwemmten sie: Damals war sie Studentin der Philologie, er ein vielversprechender Ökonom.
Ihre leidenschaftliche Romanze führte zu einer frühen Hochzeit und der Geburt ihres Sohnes, und es schien, als würde das Glück ewig währen.
Aber in den letzten zwei Jahren hatte sich alles verändert.
„Mama, kommt Papa heute wirklich?“ fragte der sechsjährige Kostja mit fröhlicher Stimme und riss Maria aus ihren Gedanken.
— Ja, mein Schatz, — versuchte Maria zu lächeln, obwohl die Sorge ihr Herz noch immer zusammendrückte.
— Lass uns seinen Lieblingskohlkuchen backen!
— Hurra! — rief der Junge freudig, und der Duft von frischem Gebäck erfüllte die Küche.
Maria erinnerte sich daran, wie Andrei früher immer nach Hause eilte, angezogen von genau diesem Geruch.
„Ein Zuhause muss nach Kuchen riechen“, sagte seine Mutter Nina Wassiljewna, als sie Maria in die Kochkunst einführte.
Nina Wassiljewna lebte seit drei Jahren nach einem Schlaganfall bei ihnen und war immer noch diejenige, die das Schicksal ihres Sohnes beeinflussen konnte.
Aber in letzter Zeit schwand sogar ihr Einfluss.
Plötzlich klickte ein sich drehender Schlüssel, und Maria zuckte zusammen.
An der Tür erschien ihr Mann — ausgezehrt, unrasiert, mit roten, müden Augen und kaum wahrnehmbar mit fremdem Parfüm.
— Ist das Essen fertig? — fragte er scharf, ohne auf Kostja zu achten, der auf ihn zugelaufen kam.
— Papa! — rief der Junge freudig und versuchte, seine Beine zu umarmen.
— Lass mich in Ruhe, ich bin müde, — stieß Andrei ab und murmelte kaum hörbar: — Warum backt ihr diese Kuchen wieder? Hör auf, Geld zu überweisen.
Maria schwieg, daran gewöhnt, still zu bleiben, wenn ihr Mann in diesem Zustand war.
Ohne viele Worte deckte sie den Tisch und reichte ihm vorsichtig das appetitlichste Stück Kuchen.
Am Tisch herrschte beklemmende Stille, nur unterbrochen vom Klirren der Bestecke und den leisen Erzählungen von Nina Wassiljewna über ihre Jugend.
— Wie war die Geschäftsreise? — fragte Maria vorsichtig, als Andrei fertig gegessen hatte.
— Normal, — antwortete er kurz und schob den Teller weg.
— Keine weiteren Fragen!
— Ich wollte doch nur…
— Nur was? — unterbrach er scharf, als wäre er meiner Fürsorge überdrüssig.
— Deine endlosen Fragen gehen mir auf die Nerven! Du kontrollierst mich nur!
Kostja drückte sich ängstlich an die Großmutter und seufzte leise.
Nina Wassiljewna schüttelte den Kopf und versuchte, den Sohn zu beruhigen:
— Andryusha, beruhige dich, Mascha will nur wissen…
Doch Andres Stimme durchbrach die Stille:
— Genug! — Er schnappte hastig seine Tasche.
— Nimm deinen Sprössling und verpiss dich!
— Andrei! — rief Nina Wassiljewna und versuchte zu vermitteln.
— Komm wieder zu dir!
— Halt die Klappe, Mutter! Ihr nervt alle! Ihr treibt mich bis ans Limit!
Er packte Maria am Arm und zog sie zur Tür, während Kostja schluchzend hinterherlief.
„Du kannst den Winter in der Gemeinschaftswohnung verbringen!“, knurrte er und schob sie hinaus in den tobenden Schneesturm.
Draußen hielt Maria den vor Kälte zitternden Kostja fest an sich gedrückt und versuchte, ihn mit ihrem Mantel zu bedecken.
Ein Taxi war nicht in Sicht, alle Bankkarten blieben bei Andrei, und das Handy war schon am Nachmittag leer gegangen.
— Mama, mir ist kalt, — klagte Kostja leise.
— Halt durch, mein Schatz, wir werden schon etwas finden, — tröstete Maria ihn, als ein alter „Moskwitsch“ mit einer deutlichen Delle am Kotflügel neben ihnen anhielt.
— Steigt schnell ein, — sagte eine sanfte, aber entschlossene Stimme eines älteren Mannes aus dem Auto.
— Bei diesem Wetter kann man nicht mit einem Kind draußen bleiben.
Ich bin Michail Petrowitsch, früher Mechaniker, jetzt im Ruhestand.
Maria zögerte nicht und, in dem Wissen, dass es schlimmer wäre zu erfrieren als ein Risiko einzugehen, stieg mit Kostja ins Auto.
Michail Petrowitsch brachte sie in seine bescheidene Wohnung, wo seine Frau Anna Grigorjewna sie sofort in warme Decken wickelte, mit heißem Tee versorgte und alte, aber gemütliche Kleidung für Kostja bereitstellte.
— Gibt es noch Platz? — fragte Anna Grigorjewna, als Kostja endlich eingeschlafen war.
— Es gibt ein Zimmer in der Gemeinschaftswohnung, das von meiner Großmutter übrig blieb, — sagte Maria leise, — aber ich war schon lange nicht mehr dort…
— Am Morgen bringt dich Mischa hin, — sagte sie bestimmt.
— Jetzt ruht euch erst mal aus.
Die Gemeinschaftswohnung am Stadtrand von Lipowsk empfing sie mit misstrauischen Blicken der Nachbarn: fünf Familien teilen sich eine Küche und eine Toilette – immer eine Herausforderung.
Aber sie hatten keine andere Wahl.
Das Zimmer war klein, aber ordentlich: vergilbte Tapeten, ein quietschendes Sofa, ein wackeliger Schrank.
Kostja kletterte sofort auf das Fensterbrett und betrachtete neugierig den verschneiten Hof.
— Mama, werden wir hier wohnen? — fragte er und blickte ins Leere.
— Vorübergehend, mein Schatz.
Bis wir eine bessere Lösung finden, — antwortete Maria.
Mit der Zeit besuchte Michail Petrowitsch sie regelmäßig und half bei kleinen Reparaturen: dank ihm bekam das Zimmer neue Regale, und in der Gemeinschaftsküche tropfte der Wasserhahn nicht mehr.
Sogar die Nachbarn wurden mit der Zeit freundlicher, besonders als Maria anfing, ihre berühmten Kuchen zu backen und mit allen zu teilen.
Michail Petrowitsch arbeitete sein ganzes Leben in einer Autofabrik und konnte auch im Ruhestand nicht untätig sein: Er baute seinen „Moskwitsch“ aus alten Ersatzteilen zusammen, den die Einheimischen „Frankenstein“ nannten.
Zusammen mit seiner Frau Anna Grigorjewna lebte er vierzig Jahre, zog drei Kinder groß und versuchte nun, ihre Güte an andere weiterzugeben.
— Weißt du, Mascha, — sagte Anna Grigorjewna, als sie Kostja ins Bett brachte, — Mischa und ich haben auch viel durchgemacht.
In den Neunzigern stand die Fabrik still, es gab keine Arbeit.
Aber die Leute halfen einander und teilten das Letzte.
Jetzt sind wir an der Reihe, etwas zurückzugeben.
Währenddessen genoss Andrei, der ein neues Leben mit Aljona begonnen hatte, seine Freiheit.
Er brachte sie ins Haus, ignorierte die Proteste seiner Mutter.
Aber das Glück währte nur kurz: Aljona erkannte bald, dass ein Leben mit einem Tyrannen unmöglich war, und rannte mit einem jungen Fitnesstrainer davon.
Unterdessen lernte Maria in der Gemeinschaftswohnung Dmitri kennen, einen Programmierer, der das Nachbarzimmer mietete.
Nach seiner Entlassung aus einer großen Firma versuchte er, sein eigenes Startup zu starten und arbeitete nebenbei als Nachhilfelehrer.
Dmitri half nicht nur Kostja mit Mathe, sondern verbrachte auch lange Abende mit Maria und erzählte Geschichten über Computer und Roboter.
Dmitri, der eine gescheiterte Scheidung hinter sich hatte, bewahrte den Glauben an die Menschen und konnte immer mitfühlen.
Seine erste Begegnung mit Maria, als er sie weinend mit dem kleinen Kostja sah, berührte ihn tief.
Vielleicht erkannte er in ihr sich selbst – verloren und allein.
Mit der Zeit begann das Leben sich zu bessern.
Maria fand Arbeit als Kellnerin im Café „Flieder“, wo ihr Talent für die Küche bald erkannt wurde, und sie wurde Assistentin des Küchenchefs.
Der Besitzer Stepan Arkadjewitsch begann, um sie zu werben: Er schenkte ihr Blumen, machte Komplimente, und bald begann zwischen ihnen eine neue zarte Geschichte voller Fürsorge und Wärme.
Zur gleichen Zeit war Dmitri für Maria da, unterstützte sie in schweren Momenten und half bei der Büroarbeit.
Nach einem Jahr wurde Marias Tochter Nadja geboren, und Kostja trug stolz den Titel des großen Bruders, half aktiv der Mutter mit dem Baby.
Dmitri wurde der Vater, von dem der Junge träumte.
Manchmal sah Andrei, vorbeigehend am „Flieder“, durch das Fenster die glückliche Maria, den herangewachsenen Kostja und Dmitri, die zusammen arbeiteten.
Einmal ging er sogar auf einen Kaffee hinein, aber als er seine Exfrau sah, ging er schweigend wieder.
In dem kleinen Lipowsk sagt man bis heute, dass es kein gemütlicheres Café als den „Flieder“ gibt.
Man sagt, dass der Winter, der über eine Familie hereinbrach, ihnen einen neuen Anfang und echtes Glück schenkte.
Jedes Jahr, wenn die ersten Schneeflocken fallen, steht Maria am Fenster ihres Cafés und erinnert sich an jene schreckliche Nacht.
Jetzt weiß sie, dass man manchmal alles verlieren muss, um Liebe und Glück zu finden, und dass der Schneesturm nur den Weg für ein neues Leben reinigt.